Karl Fred Dahmen - Ein Pionier des Informel in Deutschland

K.F. Dahmen (1917-1981) zählt zu den wichtigsten Vertretern des Deutschen Informel und war ab 1967 Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München. Zu seinen Schülern gehörten u.a. die heute international bekannten Künstler Günther Förg (1952 - 2013) und Wolfgang Flatz (*1952), die zeitgleich mit mir in der Dahmen-Klasse studierten. Auch der zumindest in unserem Raum recht bekannte Maler Theo Scherling (*1950), mit dem ich noch immer in Kontakt stehe, war ein Kommilitone damals.

 

Nach mehreren Reisen nach Paris, die zu einer intensiven Auseinandersetzung mit gegenstandsloser Kunst führten, entwickelte K.F. Dahmen im Verlauf der 50er Jahre seine tektonisch-strukturelle Formsprache. Ab 1965 begann seine "informelle" Werkphase. Reliefartige, freie Formelemente traten nun stärker in Erscheinung.

 

Seine Bildgestaltung zu dieser Zeit war geprägt von Sinneseindrücken, die der Braunkohleabbau im Aachener Raum, seiner Heimat, bei ihm hinterließen. Seine visuellen Erfahrungen mit seiner Umgebung, mit den örtlichen Erdformationen und brutalen Eingriffen des Menschen in die Natur führten zu einer starken Materialität, vielfältigen Lineaturen, tiefen Einkerbungen und zu einer erdhaften Tonigkeit seiner Werke:

 

"Was natürlich sehr wichtig war, ist diese Landschaft, wie ich sie vorfand, und die mir sehr entgegenkam, indem mir von der Farbe her eine ganz spezifische Situation angeboten wurde durch die Abhalden und die großen Braunkohlegebiete" (...) "Ich male keine Landschaft, ich mache sie."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Braunkohle-Tagebau.

 

(Foto: TMbux, CC BY-SA 3.0 -Lizenz)

 

In den Sand- und Schlackenhalden seiner Heimat entdeckte er neue malerische Qualitäten, die er mit Hilfe von tonigen Erdfarben und Beimischungen von Materialien zu einer informellen Bildstruktur mit stark reliefhaften Oberflächen ausgestaltete. In seinen Arbeiten wechseln häufig dunkle Braun-Ocker-Töne mit glühend roter Farbigkeit, in die immer wieder Ritzungen, Ablagerungen oder Aufbrüche eingearbeitet sind.

 

 

(Abb.: Ausstellungskatalog "Karl Fred Dahmen. Das Prinzip Landschaft". Wienand Verlag Köln, 2017)

 

 

Ab Mitte der 60er Jahre integrierte Dahmen zunehmend verschiedene Gegenstände in seine Bilder. Mit diesen Materialbildern und Objektkästen verfolgte er ähnliche Ziele wie die "Nouveaux Réalistes". Ein Rückbindung des Kunstwerkes an das Leben über reale Dinge.

Nach der Übernahme der Professur an der Münchner Kunstakademie ließ er sich im Chiemgau nieder. Fortan gestaltete er neben einigen Installationen vorwiegend Polsterbilder, in die er Fundstücke aus der Gegend montierte.

 

 

(Abb.: Buch "Dahmen. Objekte, Bilder, Landschaften". Belser Verlag Stuttgart, 1976)

Mein Studium bei K.F. Dahmen

 

Einige Wochen vor dem Abitur 1970 fuhr ich nach München, um mir von der Kunstakademie einen Eindruck zu verschaffen. Gleich nach dem Betreten des ersten Ateliers war mir sofort klar: Genau das ist es, was mir zusagen würde..! An den Wänden hingen vorwiegend Materialbilder, die einfach faszinierend auf mich wirkten. Hier wird also nicht nur gemalt, hier kann man auch handwerklich arbeiten, was mir ja von jeher Spaß gemacht hat...

 

Da am Türschild der Name des Professors stand, suchte ich daraufhin die Akademie-Bibliothek auf, um mir sämtliche Bücher über K.F. Dahmen auszuleihen. Nun war ich vollends begeistert: Unglaublich, welch tolle Bilder dieser Mann macht...! Und auch mit seinen theoretischen Aussagen über sein Kunstwollen konnte ich mich voll identifizieren. Es ging ihm offensichtlich nicht nur darum, schöne Kunstwerke zu machen, sondern auch zu hinterfragen, kritisch zu sein und auf Missstände aufmerksam zu machen.

 

Bei der Heimfahrt beschloss ich deshalb, das Pauken aufs Abitur erst mal etwas hintanzu- stellen, zumal für ein Kunststudium der Abi-Schnitt ohnedies nicht relevant ist, und stattdessen Materialbilder zu gestalten. Diese zeigte ich dann bereits drei Wochen später dem Herrn Professor bei seiner allwöchentlichen Sprechstunde und wies dabei auch ausdrücklich darauf hin, dass ich mir dabei schon auch etwas gedacht habe: Kritik am Konsumdenken der Gesellschaft, am schonungslosen Umgang mit der Natur, an der Umweltverschmutzung usw..

 

Es hat dann auch tatsächlich geklappt - genau so wie ich es mir erhofft hatte: Dahmen gab mir den Rat, auf meiner Bewerbungsmappe als Wunschprofessor seinen Namen anzugeben. Damit war ich schon so gut wie drin in der Akademie...

 

Das Studium machte mir dann auch sehr viel Spaß, nicht zuletzt, weil alles total stressfrei ablief - ganz anders als in der Schule - und man sich sogar aussuchen konnte, in welchen Werkstätten man seine insgesamt acht Scheine machen wollte. Es gab auch keinerlei Anwesenheitspflicht, so dass ich es mir auch schon mal leisten konnte, das Wintersemester 1972/73 auszusetzen, um als Skilehrer in den USA zu arbeiten und anschließend herumzureisen.

 

Bei einem meiner zahlreichen Studentenjobs musste ich bei der Gestaltung eines Messestandes auf der "Hannover-Messe" mithelfen. Die Münchner Firma Krauss-Maffei stellte dort Kunststoff-Spritzgussmaschinen aus und ich war fasziniert von den Abfallprodukten: Morgens, wenn die Maschinen noch nicht die erforderliche Betriebstemperatur erreicht hatten, spuckten diese nämlich lauter skurrile, ölverschmierte Formen aus, die nicht im Entferntesten an eine Plastikkiste oder einen Kunststoffeimer erinnerten und sich somit hervorragend eigneten, um damit großformatige Materialbilder, bspw. abgestorbene Unterwasserlandschaften, zu gestalten.

 

K.F. Dahmen war recht angetan von meinen Materialbildern, zumal die von mir praktizierte Art von Bildgestaltung offensichtlich neu war, und sprach mir dann auch bei der Zwischenprüfung (nach dem 3.Semester) ein großes Lob aus. Vor allem gab er mir immer wieder wertvolle Anregungen, u.a. hinsichtlich der Bildgrundgestaltung oder Farbgebung.

Allerdings sah ich mich einige Zeit später gezwungen, aus Platzgründen mit all meinen riesigen Kartons voller Spritzgussabfälle aus dem Dahmen-Atelier auszuziehen und mir auf dem Dachboden der Akademie einen Arbeitsplatz einzurichten, wodurch leider auch der Kontakt mit dem Professor etwas weniger wurde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hubert Fenzl, "Laudato si`, III. 38-39; IV. 195", 2016, Installation

(Foto: H. Fenzl)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hubert Fenzl, "Laudato si`, III. 38-39; IV.195", 2016, Assemblage mit Cladonia stellaris- Flechten, 72 x 52 cm

(Foto: H. Fenzl)

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